Buchbesprechungen
Wir veröffentlichen regelmäßig Rezensionen von Büchern und anderen Veröffentlichungen der Weinkultur und Weingeschichte. Wenn Sie Anregungen für Besprechungen haben, wenden Sie sich gerne an uns!
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Dr. Tobias Schick: Weinbau in der Renaissance – von der Traube bis ins Glas, Verlag Books on Demand, 114 Seiten, ISBN: 978-3-7534-5479-5. 30 Euro
Schon vor tausenden von Jahren wurde in verschiedenen Ländern in Europa Wein erzeugt. Die Römer waren bei ihren Feldzügen vor 2.000 Jahren so nebenbei auch Förderer des Weinbaus. Mit der Zeit entwickelten sich unterschiedliche Methoden für den Ausbau. Ein offenbar besonders spannender Zeitraum war hier das 16. Jahrhundert.
Nachzulesen ist das in dem wohl ersten deutschsprachigen Weinbuch des Wieners Johann Rasch (1540–1612) aus den Jahren 1580 und 1582 „Von Baw, Pfleg und Brauch des Weins“ sowie anderen Werken, auf die es in Bibliotheken noch Zugriff gibt.
Der in Grünstadt in der Pfalz lebende Chemiker Dr. Tobias Schick (32) machte mit einem eigenen Buch eine Rekonstruktion der Weinkultur zu jener Zeit möglich. Dabei gelangen auch Rückschlüsse auf die Herstellungsverfahren und das damalige Kundenprofil.
Eines vorweg: Vieles hat sich auch über die Jahrhunderte auf den ersten Blick nicht geändert. Idealerweise wuchsen Weinreben in trockenen Gebieten an möglichst nach Osten ausgerichteten Hängen. Ein Gedeihen der Reben wurde unter den Bedingungen versprochen, dass das Erdreich mindestens 75 cm tief in den Boden reicht und im Weinberg kein Lorbeer oder Eppich (veraltet für Efeu, Petersilie, Sellerie und Liebstöckel) wächst. Die Nährstoffversorgung oder auch Düngung übernahmen Urin oder Mist, welcher auf die Erde gegeben wurde und auch durch seine Eigenwärme die Wurzeln in kalten Nächten schützte.
Im ausgehenden Sommer wurden kurz vor der Weinlese die über dem Schoß wachsenden Blätter der Rebstöcke entfernt, um den Trauben die Feuchtigkeit zu entziehen und vermutlich süßere Weine zu erhalten – so zumindest die Erklärung der damaligen Autoren der „Oenographia“ (1604). Auch heute noch ist an manchen Hängen im Spätsommer das Entfernen der Blätter zu beobachten.
Im Keller: Wirf’s ins Fass, den Kellerwein!
Während der Weinlese wurde der Traubensaft durch das Zertreten der Trauben von „Weintretern“ in einem Bottich gewonnen. Die damaligen Schriften lassen vermuten, dass nicht der „Weinmeister“ selbst diese Arbeit verrichtete, sondern sie niedrigeren Dienstgraden überließ.
Die Gärung des Saftes wurde in zuvor mit Salzwasser ausgebrühten Fässern über eine Wildgärung vollzogen (heute sagt man dazu Spontangärung). Falls die Gärung ausblieb, lautete ein Rat: „Nimm das Erdreich, da der Wein gewachsen und wirf’s in das Fass, so gärt er auch.“ Die Fässer wurden idealerweise im dunklen und kühlen Weinkeller gelagert. Zum optimalen Schutz des Weines mussten die Fässer mit Blechen abgedeckt sein, damit der Donner dem Wein keinen Schaden anrichten konnte. Und nach Möglichkeit durfte es keine Fensteröffnung nach Norden geben. Der Nordwind galt als sehr schädlich für den Wein und die Sorge bestand, dass Weine durch den Wind schlecht wurden. Eine logische Begründung für diese Furcht ist in den alten Schriften nicht zu finden. Manche Weinherren aber waren so kühn und lagerten den Wein absichtlich unter freiem Himmel, wo er den Elementen der Natur ausgesetzt war. Das Produkt wurde dann als „Wetterwein“ bezeichnet.
Ob Wetter- oder Kellerwein, das Produkt wurde, ähnlich wie heute, anhand von Farbe, Geschmack und Geruch im Rahmen einer Weinprobe bewertet. Um sich vor Betrug zu schützen, sollten die „Weinkoster“ den Wein morgens kosten, nachdem „sie den Mund gewaschen und drei oder vier Brocken Brot in Wasser getunkt und gegessen haben“. Des Betruges wurden Weinhändler/-herren bezichtigt, die Süßholz, gesalzenen Käse oder sonstige, deftige Speisen mit der Absicht anboten, den Geschmack des Weines durch das Essen zu verändern. Der Grund zu dieser Vorsicht war durchaus berechtigt, da auch Weißweine durch Färbung mit Heidelbeeren, Sauerkirschen oder Kornblumen zu Rotweinen wurden.
Geschmack: Tricksen mit den Würzaromen
Auch geschmacklich wurde in die Trickkiste gegriffen und Weine mit Hopfen oder Wacholderbeeren versetzt, um die Haltbarkeit zu erhöhen. Denn wenn „durch den Hopfen das Wasser in dem Bier vor Gebrechen bewahrt wird, warum sollte dann nicht viel mehr der Wein fast kräftiger […] behalten werden?“ Andererseits wurde der Weingeschmack an die Anforderungen jener Zeit durch Honig, Pfeffer, Nelken und Zimt angepasst. Süße, gewürzte Weine waren eben zu der Zeit en vogue.
Hat der Wein den Geschmack des Kunden getroffen, gönnte man sich das eine oder andere Krautstrunkglas mehr und musste mit den morgendlichen Konsequenzen rechnen. Die Gegner solcher Gelage schimpften, in den Zechern sei „weniger Vernunft als in einem Esel, welcher, so er getrunken hat, nicht mehr als es ihn gelüstet hat, wieder nach Hause geht.“ Es scheint, solche Zecher sind nicht ausgestorben …
Dr. Dolores Müller
Nickenig, Rudolf: Köln – eine merkwürdige Weinstadt. Marzellen Verlag GmbH, Köln 2022. 176 Seiten; ISBN13: 9783937795799. 19,95 Euro
Seit Jahrhunderten pflegten die auch zum jetzigen Wohnort des Kölner sowohl zum Geburts als Autors Rudolf Nickenig enge Beziehungen. Schon zur Merowingerzeit hatten sie sowohl in Boppard als auch später in Remagen beachtlichen Fernbesitz, insbesondere in Form von Weinbergen. Vermutlich war dies nach eigenem Bekunden die Triebfeder, dieses Buch zu schreiben.
Dabei bezweifelt Nickenig nicht im Geringsten, dass Köln heute eine Bierstadt ist und dass Kölsch die einzige Sprache ist, die man trinken kann. Wichtiger ist ihm jedoch zu beweisen, dass Köln eine Weinmetropole war und zwar viel länger als manche Historiker meinen. Dazu bedient er sich eines gedanklichen Sparringspartners mit dem in Köln nicht unbekannten Namen Karl Schmitz als Ideengeber, Initiator und Brückenbauer. Der Autor in Gestalt des Wilhelm will diesem beweisen, dass der Wein in Köln auch in der Neuere Geschichte eine wichtige gesellschaftliche Rolle gespielt hat, viel länger als allgemein bekannt ist. Es war dem Autor ein Anliegen, dies wissenschaftlich basiert zu belegen und mit dem nötigen rheinischen Humor zu versehen, um das Lesevergnügen zu steigern. Vorweggesagt, es ist ihm hervorragend gelungen.
Bevor er sich jedoch auf den Weg macht, diesen Beweis anzutreten, widmet er zunächst einige Kapitel dem Kölsch, seiner Herstellung und seiner kulturellen Bedeutung.
Seine Weinstudien beginnt er mit der Römerzeit, für die jedoch noch keine Quellen existieren. Man ist auf Vermutungen angewiesen, wobei man aus dem Nichtvorhandensein einer Quelle nicht den Schluss ziehen kann, dass Weinbau keine Rolle gespielt habe. Vieles spricht dafür, dass die Römer begannen, in Köln oder drum herum Weinreben anzu bauen, um vom „Weinimport“ unabhängiger zu werden. Bereits aus dem Jahr 641gibt es eine erste Urkunde, worin festgehalten wurde, dass Weinbauern inmitten von Weinbergen ein Badehaus errichtet hatten. Eine weitere Urkunde aus dem Jahre 643 bezeugt Kölner Fernbesitz in Boppard, ein Hinweis darauf, dass der eigene Weinbau nicht mehr ausreichend war, um die Bevölkerung mit Wein zu versorgen.
Das erste Kölner Weinbaukataster, das der Magistrat 1681 in Auftrag gab, erbrachte den Beweis, dass die Rebfläche innerhalb der Stadtmauern ca. 90 Hektar groß war und damit ca. ein Viertel der Stadtfläche einnahm. Dieser hohe Flächenanteil blieb auch im folgenden Jahrhun dert weitgehend konstant, bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts prägten Weinberge das Stadtbild von Köln. Während der Franzosen zeit ab 1794 bis 1814 verlor der Weinbau an Bedeutung, da der gewonnene Wein allenthalben im Vergleich zum französischen von minderer Qualität war, bis er schließlich zur Jahrhundertmitte fast vollständig zum Erliegen kam.
Mit dem Verschwinden der letzten Reben aus dem Kölner Stadtgebiet endete jedoch noch lange nicht das Weinfeeling, wie es der Autor ausdrückte. Schon Karl der Große hatte Anstöße für eine Ankurbelung des Weinhandels gegeben. Der Rhein als Transportweg spielte dabei eine zentrale Rolle. Besonders mit England wurde seit dem 10. Jahrhundert Weinhandel betrieben. Wein war im Mittelalter das wichtigste Handelsgut für Köln und Köln war nach Bordeaux der zweitwichtigste Handelsplatz. Auch wenn der Handel mit Wein in den nächsten Jahr hunderten zurückging, hielt er sich bis ins 19. Jahrhundert.
Recht ausführlich haben Karl und Wilhelm über den Kölner Klüngel sowie die Bedeutung der großen Zahl an Weinhändlern, deren Organisation und Geschäftstüchtigkeit und insbesondere deren Bedeutung und positiven Einfluss auf das kulturelle Leben der Stadt Köln reflektiert.
Es überrascht nicht, dass einige der „betuchten“ Weinhändlerfamilien bei den Kölner Machtränken eine bedeutende Rolle spielten, mehrmals den Bürgermeister stellten oder Mitglieder des engen Rates der Stadt waren.
Breiten Raum nehmen auch die Betrachtungen zum Wein und Bier konsum vom Mittelalter bis zur Gegenwart ein, was nicht verwundert, hat sich der Autor jahrzehntelang mit dem Thema eines moderaten Weinkonsums beschäftigt. Da der Weinkonsum überwiegend in Gaststätten getätigt wird, ist es naheliegend, auch die Entwicklung der Gaststätten über die vielen Jahrhunderte in Augenschein zu nehmen. In diesem Zusammenhang geht Nickenig auch den mittelalterlichen Berichten über eine römische Wein-Pipeline von Trier nach Köln nach, die von den Römern gebaut worden soll, um ihren immensen Weindurst mit Moselwein stillen zu können. Und schließlich will Wilhelm bzw. der Autor mit seiner Wette beweisen, dass Wein sehr lange das Kölner Kulturleben in positiver Weise beeinflusste, auch das Karnevals-, Theater- und Kirmestreiben.
Eine unterhaltsame und erkenntnisreiche Spurensuche der Kölner Wein- und Kulturgeschichte geht zu Ende, wobei jedes Kapitel Zeugnis von der Freude des Autors bei der Recherche gibt.
Gerhard Stumm
Naser, Christian: Balthasar Neumanns Weinhändlerschloß. Das Zeller Palais als Kristallisationspunkt der wirtschaftsgeschichtlichen Bedeutung der fränkischen Weinhändler im 18. Jahrhundert. 2 Bände, Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2022. ISBN 978-3-8260-7538-4. 88,00 Euro.
Einige werden sich erinnern: Anlässlich der Herbsttagung 2017 der Gesellschaft für Geschichte des Weines in Wertheim besuchten wir in Gerlachsheim das barocke Palais der Weinhändlerfamilie Buchler. Dr. Christian Naser hielt dort einen Vortrag zur Geschichte der fränkischen Weinhändler im 18. Jahrhundert. Naser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsche Philologie in Würzburg. Seine Beschäftigung mit den Weinhändlern und ihren Häusern entspringt vor allem bürgerschaftlichem Engagement: Es geht Naser darum, durch architekturhistorische Forschung kulturelles Erbe sichtbar zu machen, es in einen größeren wirtschaftsgeschichtlichen Kontext zu stellen und damit letztlich zur Erhaltung der Denkmäler beizutragen. Bereits 2012 hatte sich Naser in einer Publikation mit dem Zeller Weinhändlerpalais beschäftigt, das der berühmte Barockbaumeister Balthasar Neumann 1744 für den Weinhändler Andreas Wiesen ausführte. Nun hat er eine deutlich erweiterte Fassung vorgelegt.
Naser hat den 450 Seiten umfassenden Textteil in fünf Hauptkapitel gegliedert. Der erste Teil beschäftigt sich mit den Zeller Weinhändlerfamilien, ihrem Aufstieg, ihrer Bedeutung am Markt und ihrem Niedergang. Die fränkischen Weinhändler waren im Territorium des Hochstifts Würzburg im 18. Jahrhundert ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, ihr Aufstieg begann nach dem Pfälzer Erbfolgekrieg. Durch taktisch arrangierte Heiratsverbindungen entstanden mächtige Kartelle. Rund 30 fränkische Weinhändler hatten ihre Tätigkeit Anfang des 18. Jahrhunderts nach Frankfurt ausgedehnt, wo sie Dependancen unterhielten und den Weinmarkt dominierten und kontrollierten. In ihren fränkischen Heimatorten errichteten sie repräsentative Wohn- und Firmensitze. Die Familien der Zeller Weinhändler legten zunächst als Ziegelhändler und Schiffleute den Grundstock für ihr Vermögen. Das Hochstift Würzburg bot im 18. Jahrhundert mit seiner starken Bautätigkeit entsprechende Verdienstmöglichkeiten. Zell wiederum wies günstige Bedingungen für den überregionalen Weinhandel auf. Ausschlaggebend war die direkte Nähe zum Fluss als Transportweg, der Ort lag an einer Furt und am Knotenpunkt mehrerer bedeutender Verkehrswege und bot eine durch Quellen gespeiste Frischwasserversorgung. Innerhalb eines Zeitraums von etwa hundert Jahren, zwischen 1692 und 1794, entstanden in Zell zahlreiche Weinhändlerpalais, von denen 18 bis heute erhalten sind. Besonders markant sind die Jahre 1741 bis 1751, als parallel zum barocken Umbau des Klosters Oberzell die fünf größten Palais errichtet wurden. Obwohl sie vielfach umgenutzt wurden, prägen die Gebäude den Ortskern und sind von außerordentlicher Bedeutung für das Verständnis der Wirtschaftsgeschichte Zells und Frankens.
Der ausführliche zweite Hauptteil ist der Baugeschichte und der Architektur des Neumann‘schen Palais gewidmet. Die zwischen 1741 und 1744 errichtete Dreiflügelanlage, ein schlossartiges Gebäude mit Geschäfts-, Repräsentations- und Wohnräumen, eigener Anlegestelle und figurengeschmücktem Terrassengarten, verfügte über ein zweistöckiges Kellerensemble mit fünf um einen Ehrenhofkeller gruppierten Gewölbekellern. Zur Weinerzeugung werden große Mengen an frischem Wasser benötigt, eine eigene Wasserversorgung war also essenziell. Naser kann eindrücklich zeigen, dass die Quellen am Zeller Berg ein wichtiger Standortfaktor waren. Sie wurden durch Quellenfassungen und Brunnenkammern nutzbar gemacht, wovon das ausgeklügelte, heute noch funktionsfähige Wasserkanal- und Drainagesystem unter dem Zeller Schloss zeugt.
Im dritten Kapitel werden dem Zeller Schloss sechs palaisartige Weinhändlergebäude in Franken gegenübergestellt, im vierten Teil liefert Naser eine Inventarisierung der weiteren 17 in Zell erhaltenen Weinhändlerhäuser. Anhand dieser Vergleiche kann Naser das typische Raumkonzept eines Weinhändlerpalais aufzeigen: Produktion, Lagerung, Kontor, repräsentative Räume mit Festsälen und Wohnen unter einem Dach. Ein ausführlicher Quellenteil im fünften Kapitel sowie 220 Abbildungen in Band 2 ergänzen die Ausführungen.
Nasers quellengesättigte Studie ist an der Schnittstelle zwischen Weingeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Kunstgeschichte und historischer Bauforschung angesiedelt. Die Darstellung ist wegen der Komplexität und Vielzahl an Quellenbelegen nicht immer leicht zu lesen, die zentralen Aussagen werden in den jeweiligen Abschnitten jedoch in kurzen Zusammenfassungen verständlich auf den Punkt gebracht. Grundlagenforschung ist arbeitsintensiv, und gerade hierin liegt der hohe Verdienst dieser Studie. Die erhaltenen Weinhändlerhäuser in Zell wurden im Laufe der Jahrhunderte vielfach umgenutzt, stehen teils leer oder sind dem Verfall preisgegeben. In anderen fränkischen Weinbaugemeinden sind sie ganz verschwunden. Christian Nasers Buch liefert wichtige Bausteine, um dieses einzigartige kulturelle Erbe zu begreifen und ist ein Plädoyer dafür, es erlebbar zu machen und zu erhalten.
Christine Krämer, Stuttgart
Im Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte 20 (2020) erschien eine sehr lesenswerte Rezension von Roderich Ptak unserer Schrift Nr. 200 von Peter Kupfer: Ursprünge, Überlieferungen und Entwicklungen der Weinkultur und des Weinbaus in China. Eine Entdeckungsreise durch neun Jahrtausende.
Rudi Knoll: Sachsens Wein-Prinz Georg und seine unglaubliche Geschichte. gebundene Ausgabe, axel dielmannVerlag, Frankfurt a. Main, 144 Seiten; ISBN: 9783866383470. 20,00 Euro
Zugegeben, dem Rezensenten fehlt die notwendige Distanz, um eine neu trale oder gar kritische Würdigung des Buches zu schreiben, denn sowohl der Held der Geschichte als auch der Autor sind ihm persönlich bekannt. Georg Prinz zur Lippe ist ihm das erste Mal zu Beginn der 1990er Jahre in Meißen bei einer Weinprobe begegnet, später noch einige Male in unregelmäßigen Abständen. Deshalb war er umso mehr interessiert, das Buch von Rudi Knoll zu lesen, der nicht nur ein ausgezeichneter Wein- und Branchenkenner ist, sondern der es als Autor bestens versteht, seine Leser in den Bann zu ziehen. Das gelingt ihm bereits mit dem Eingangskapitel „Es begann mit einem 1991er“, des Prinzen Erstlingswein, der dreißig Jahre später im Kreise von Weinfreunden und Familienmitgliedern verkostet wurde. Dabei „herrschte eine Spannung wie bei einem bedeutenden Fußballspiel“; eine Assoziation, die beim fußballbegeisterten Rudi Knoll – selbst Mitglied der „Weinelf“ nicht wundert. Die Probe zeigte, dass der Wein trotz schwieriger Rahmenbedingungen die ersten dreißig Jahre der Wiedervereinigung gut verkraftet hatte. Ein gelungener Aufhänger für den Einstieg in einen bemerkenswerten Fall deutscher Zeitgeschichte: Die unglaubliche Wein- und Lebensgeschichte des Prinzen im wiedervereinten Deutschland wird faktenreich, spannend, aber auch unterhaltsam von Rudi Knoll erzählt. „Der Traum von der Rückkehr“ nach Schloss Proschwitz hatte durchaus das Potential zu einem Alptraum für den Prinzen und seine Familie zu werden, denn der Besitz musste in einem erbärmlichen Zustand zurückgekauft werden. Wie trotzdem an alter Wirkungsstätte ein großes Weingut aufgebaut werden konnte, wird angemessen bebildert, gespickt mit Anekdoten hin- und mitreißend geschildert. Manch Abenteuerliches wird ans Leserlicht gebracht. Ein Lebensweg, gekennzeichnet von Visionen, unternehmerischem Mut und Fortune, entscheidend unterstützt von Prinzessin Alexandra, der „Frau an seiner Seite“, gelernte Journalistin, tätig beim MDR, Deutschlandfunk etc., wird dem Leser nahe gebracht. Rudi Knoll stellt auch die Rolle wichtiger Weggefährten dar, die den Aufschwung von Schloss Proschwitz zu einem deutschen Spitzenwein gut begleitet, mitgeprägt oder gefördert haben. Auch Rückschläge und Irrwege werden nicht verschwiegen; allerdings schweigt nun der Rezensent, denn die Leserin/der Leser soll selbst in Erfahrung bringen, warum der Wiederaufbau trotz oder wegen des Mottos „Du hast keine Chance, drum nutze sie“ ein Happy End fand.
Rudolf Nickenig