Buchbesprechungen
Wir veröffentlichen regelmäßig Rezensionen von Büchern und anderen Veröffentlichungen der Weinkultur und Weingeschichte. Wenn Sie Anregungen für Besprechungen haben, wenden Sie sich gerne an uns!
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Wagner, Andreas: Zwischen Reben und Rüben. Eine Geschichte von Trauben, Wein und fünf Generationen. 275 Seiten, 31 z. T. farb. Abb., gebunden. ISBN 978-3-8353-5822-5.
24,00 Euro (D) / 24,70 Euro (A).
Andreas Wagner, promovierter Historiker, Winzer und Schriftsteller, führt gemeinsam mit zwei Brüdern, Ehefrauen und Eltern das Familienweingut Wagner in Essenheim bei Mainz. In seinem neuesten Buch widmet sich der erfolgreiche Krimiautor der Geschichte seiner eigenen Vorfahren und des familiären Betriebs. Das ist aber bei weitem nicht alles.
Entlang dieser Erzählstruktur verbindet der Autor Genealogie und Wirtschaftsgeschichte mit den historischen Gegebenheiten in der Weinbauregion Rheinhessen. Der Blick über den eigenen Tellerrand auf Nachbarfamilien, das Dorf und darüber hinaus, ist allgegenwärtig. Das Buch darf als wissenschaftlicher Beitrag zur Agrargeschichte des ländlichen Raums im 19. und 20. Jahrhunderts wahrgenommen werden. Gleichzeitig ist es einfach spannend. Als Leser begleitet man die Geschicke der Familie vom Gemischtbetrieb der Landwirte und Weinbauern hin zum hochspezialisierten Weingut.
Die generationenübergreifende Perspektive eröffnet den Blick darauf, wie persönliche Entscheidungen die Handlungsspielräume der nachfolgenden Generationen verschiedentlich beeinflussten. Die Zugehörigkeit der Familie zur dörflichen Oberschicht – ein später von Historiker:innen konstruierter Status – und der Wunsch, diese reale, aber kaum greifbare Position im Dorf für die eigenen Kinder zu erhalten, setzte immer wieder die Rahmenbedingungen. Insbesondere sei hierbei auf Fragen im Zusammenhang mit der Heiratspolitik, dem familiären Stellenwert von Bildung und Ausbildung, Gelderwerb, Betriebsinvestitionen und -innovationen, Modernisierung und Traditionserhalt oder auch auf den gesellschaftlich damals durchaus erwarteten, wenn nicht sogar erforderlichen, repräsentativen Lebensstil hingewiesen.
Das Buch ist sicher keine klassische Ahnenforscher-Produktion und auch keine typische Firmengeschichte. Trotzdem vereint es beides und mehr. Man erhält vielseitige und abwechslungsreiche Einblicke in vergangene Tage, die spannend, mitunter auch humorvoll, stellenweise traurig, vorgetragen werden und zum Miterleben einladen. Der Schreibstil ist nicht der eines Sachbuchs, sondern erzählend und nimmt einen mit in die Vergangenheit. Gleichzeitig werden auch schwierige Themen – wie die Judenverfolgung oder der Einsatz von Kriegsgefangenen – nicht ausgeblendet, sondern immer auf einer sehr persönlichen Ebene ausführlich thematisiert. Etwas anderes wäre auch von diesem Autor mit Blick auf sein damaliges Promotionsthema „Machtergreifung in Sachsen. NSDAP und staatliche Verwaltung 1930 – 1935“ nicht zu erwarten gewesen.
Mit einzelnen Vorfahren, wie „dem Jean“ oder „dem Geometer“ entwickelt man beim Lesen eine enge Verbindung, wie sonst nur mit den Hauptfiguren eines Romans. Als Belohnung für die oder den Lesenden steht schlussendlich das Gefühl, nicht nur die Familie und den Betrieb, sondern den Weinbau der letzten anderthalb Jahrhunderte und das innere Denken der früheren bäuerlichen Gesellschaft ein Stück besser zu verstehen. Ich bin sowohl vor als auch nach der Lektüre des Buchs als Besucher durch Essenheim spaziert und betrachte nun vieles in einem anderen Licht.
Der Autor schöpft für seine Untersuchung aus transkribierten Interviews mit Familienmitgliedern und zahlreichen gedruckten und ungedruckten Quellen, vor allem aber aus einem reichhaltigen Familienarchiv, das von den im Buch dargestellten Vorfahren stets bewahrt und erweitert wurde. Er selbst schreibt dazu: „In unserer Familie scheint sich über Generationen hinweg schon immer ein gewisser Respekt vor allem Niedergeschriebenen erhalten zu haben. Unsere Vorfahren haben gesammelt, aufgehoben und selten etwas weggeworfen.“ Das aufwendige Quellenstudium, welches hier geleistet wurde, tritt in nahezu jedem einzelnen Absatz des Buchs hervor. Es gelingt dabei der Spagat zwischen wissenschaftlich fundierter Arbeit und angenehmen Lesestoff. Eine Auswahl an historischen Fotografien und Originalschriftstücken, in denen man sich ebenfalls verlieren kann, wenn man will, und eine ansprechende klare Struktur runden das Lektüre-Erlebnis ab.
Simeon Guthier, Mainz
Andreas Wagner: Winzergrab. Emons Verlag Köln, 2025. 240 Seiten; ISBN: 978-3-74082481-5. 15,00 Euro.

Es geht um Eifersüchteleien, Erbstreitigkeiten, Hinterlist, Rachegelüste, alte und neue Rechnungen, die zu begleichen sind. Andreas Wagner beschreibt die Zustände in manchen Weinorten in Rheinhessen sehr anschaulich. Und drumherum strickt er, selbst als Winzer in einem Weinort Zuhause, heitere Episoden und muntere Feierlichkeiten im großen Stil mit viel Konsum und Völlerei und sogar einem „sportlichen“ Festzug, in dem einem Senior-Winzer, der schon auf der Spur des Mörders ist, letztlich klar wird, wer der Schurke ist, der im Weinberg zuschlug. Denn ein Mord in den Reben mit vielen Verdächtigen darf nicht fehlen in diesem Krimi. Und so ganz nebenbei beschreibt Wagner, welche Probleme Winzer in der heutigen Zeit haben, erklärt, wie guter Wein entsteht und warum es auch mäßige Gewächse gibt. So wird das „Winzergrab“ auch zum Fachbuch. Dass sich vielleicht manche Orte und Protagonisten wiedererkennen, hatte noch keine Auswirkungen auf den Autor. „Bisher gab es keine Proteste“, verrät Andreas Wagner (Jahrgang 1974) nach einem Dutzend flott geschriebener Winzerkrimis. Aber er kennt seine Pappenheimer, führt selbst mit seinen beiden Brüdern und der ganzen Familie ein alteingesessenes 23-Hektar-Weingut mit Straußwirtschaft in Ettenheim, das ihm vermutlich auch reichlich Inspiration für seine flott und anschaulich geschriebenen Krimis vermittelt. Er selbst beschreibt die Arbeit mit „Jeder macht alles, ich mag am liebsten Riesling und Spätburgunder“.
Rudolf Knoll, Schwandorf
Daniel Deckers und Harald Salfellner (Herausgeber), Adolf Hoffmeister (Illustrator): Vom böhmischen Wein – Eine Huldigung an den Rebensaft. Vitalis Verlag Haselbach. 378 Seiten; ISBN: 978-3-8991-9857-7. 29,90 Euro.

„Die vorliegende Weinanthologie beruht auf Texten aus den Jahren 1930 und 1933, die in einem kulturgeschichtlichen Kontext voller Gegensätze und Spannungen entstanden sind“, ordnet Peter Becher, Schriftsteller und Literaturhistoriker, Mitglied des tschechischen PEN-Clubs in seinem Beitrag das Werk historisch ein: „Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 war das Schicksal der Weimarer Republik besiegelt und die Tschechoslowakei von einem Tag auf den anderen neben Frankreich zum wichtigsten Exilland für bedrohte und verfolgte des NS-Regimes geworden. [...] In diesem spannungsreichen Kontext war die Herausgabe der Anthologie der Weingroßhandlung Jos. Oppelt´s Neffe in Prag am 1. Mai 1933 alles andere als nur eine Jubiläumsschrift anlässlich des 110-jährigen Bestehens der Firma. Sie war ein Zeichen der Verständigung und ein Brückenschlag über vorhandene Gegensätze hinweg, der an ähnlich ausgerichtete Publikationen der Vorjahre anknüpfte. Zu diesem zählte der eigene tschechischsprachige Vorläufer, der Weihnachten 1930 erschienen war, die Anthologie Vino, gestaltet und herausgegeben von Adolf Hoffmeister, der tschechische Autoren „zu Ehren des Weines für seine Freunde und Verehrer“ […] versammelt hatte. Gemeinsam mit der deutschsprachigen Weinanthologie stellte dieser Vorläufer einen Brückenschlag zwischen der tschechischen und deutschen Kultur dar.“
Das Vorhaben von Frantisek Cebis, Prokurist der Prager Weinhandlung Jos. Oppelt´s Neffe, gelang. Er konnte die besten Schriftsteller Böhmens und Mährens für seine Anthologie zu Ehren des Weines gewinnen. Dem Vorhaben war Erfolg beschieden, als 1930 Víno in tschechischer und 1933 Wein in deutscher Sprache erschien. Was in der literarischen Szene an der Moldau Rang und Namen hatte, trug mit Feuilletons, Gedichten und Liedern ein Scherflein bei zum Schönsten, Tiefsinnigsten und Beschwingtesten, das je über den Rebensaft gedruckt wurde, sind sich die heutigen Herausgeber einig. Jahrzehntelang vergessen, liegen beide Sammlungen nun in der originalen Ausstattung vor, und erstmals vollständig zu einem Band vereint. Ergänzt werden die Texte aus den 1930er Jahren um eine Einordnung der Geschichte des böhmischen Weinbaus aus heutiger Sicht durch Daniel Deckers. Peter Becher äußert sich zur Prager Weinszene im Schicksalsjahr 1933. Und Mitherausgeber Harald Salfellner stellt Wein und Literatur zur Weingroßhandlung Jos. Oppelt´s Neffe in Prag vor, anschaulich ergänzt mit historischen Fotos. Texte und Karikaturen lassen ein großes Lesevergnügen erwarten.
Die Redaktion
Hamatschek, Jochen: Tödliches Gas – ein Weinkrimi. Verlag BoD. Books on Demand GmbH 2024. 217 Seiten; ISBN 978-3-7597-7626-6. 10,99 Euro, E-Book 7,49 Euro.
Der vorliegende Weinkrimi ist mehr als nur ein Weinkrimi. Er führt den Leser auf der ersten Hälfte des Inhalts präzise, verständlich und anschaulich in die Herstellung des Weines, in Weinbereitung, sehr ausführlich in die Weinansprache, Weinfehler, weinrechtliche Fragen und Weinmarketing ein. Das kann nur das Werk eines Spezialisten sein, der alle Feinheiten seines Metiers beherrscht und hier weitergibt.
Der Inhalt des Weinkrimis wird zunächst von Themen der Weinherstellung dominiert, garniert mit mehreren Suiziden, die man zunächst nicht in einem Zusammenhang wähnt. Dadurch und mit immer neuen Vermutungen gelingt es dem Autor, Spannung zu erzeugen und zu erhalten. Erst im letzten, dem 22. Kapitel erfolgt die so nicht erwartete Auflösung.
Der junge Chemiker Daniel, der in einem großen Industrieunternehmen angestellt ist und der vor kurzem seine Frau Kristina, eine junge Germanistin, geheiratet hat, ist traumatisiert vom Selbstmord seiner Frau. Er zieht für eine Übergangszeit in das vor kurzem gekaufte väterliche Schloss-Weingut in Neustadt, um den Vater, der auch noch weitere Interessen hat, zu unterstützen. Dort trifft er auf zwei Personen, die sein weiteres Leben verändern: den kleinwüchsigen, aber sehr versierten Küfer Perkeo, der ihn in die Feinheiten der Weinherstellung und Weinansprache einweiht, und nach einiger Zeit auch auf die IT-affine, flippige Mediendesignerin Essie. Sein Vater hatte ihr den Auftrag erteilt, einen modernen betrieblichen Auftritt, ein neues Design für das Schloss Weingut zu entwickeln. Im Laufe dieses Jahres hört er immer wieder von Selbstmorden in dem Germanistinnen-Milieu, in dem auch seine Frau gelebt hat. Er beauftragt schließlich einen befreundeten Fußballkameraden, der als Kriminalist arbeitet, sowie Essie, mit der er sich inzwischen angefreundet hat, weiter zu recherchieren. Dadurch kommen sie schließlich einem schrecklichen Geheimnis auf die Spur, das sie jedoch auch in tödliche Gefahr bringt.
Gerhard Stumm, Bad Kreuznach
Pena, Camilo/Almila, Anna-Maria und Inglis, David/Ly, Pierre und Howson Cynthia: The World of Wine. (Part 4). In: Joy, Annamma (Hrsg.): „Sustainability in Art, Fashion and Wine; critical Perspectives“. 324 Seiten (Part 4: S. 261 – 309). Engl. Walter de Gruyter GmbH Berlin/Boston 2024. ISBN 978-3-11-078389-6. E-Book und broschiert:
54,95 Euro.
Nachhaltigkeit ist das derzeitige Schlagwort, das von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf praktisch allen Ebenen und Bereichen diskutiert und nachgefragt wird. „Nicht mehr ausgeben, als hereinkommt, von den Zinsen leben, ohne das Kapital anzugreifen oder: die Ressourcen der Erde nicht überlasten“ sind gängige Erläuterungen dieses Begriffes. Erstmals geprägt wurde er von Freiherr Hans Carl von Carlowitz bereits im Jahre 1713, als er realisierte, was mit Wäldern geschieht, wenn mehr Bäume gefällt werden, als nachwachsen können.
Das vorliegende Buch widmet sich nach einer Einleitung durch die Herausgeberin in drei längeren Teilen der Welt der Kunst, der Mode und des Weines. Dass Mode Nachholbedarf an Nachhaltigkeit hat, lässt sich durch Zahlen belegen: von etwa 400 Mio. Tonnen Kunststoffen, die im Jahr weltweit produziert werden, entfallen 80 Mio. auf Kunststoffe in Kleidern, Verpackungen sind es demnach nicht allein. Derartige Informationen finden sich in dem soziologisch-politisch ausgerichteten Buch leider nicht. Stattdessen wird in einem einführenden Teil die Welt dieser drei Bereiche eingeordnet: sie ist geprägt durch einen neo-liberalen Rahmen und soziale Gerechtigkeit. Für Mitglieder der GGW dürfte vor allem der Abschnitt über die Welt des Weines interessant sein, der nachfolgend besprochen wird.
Teil 4 „Die Welt des Weines“ gliedert sich in drei Kapitel. „Nachhaltigkeitsvergleich bei konventioneller, organischer oder natürlicher Weinbereitung“, „Geschlechterspezifische Dynamik in der Umwandlung von Wein in Kunst“ und „Der Aufstieg chinesischer Edelweine durch institutionalisierte Innovationen: Ausländische Partnerschaften, einheimische Entrepreneurs und Hemmnisse aufgrund von Nachhaltigkeit“.
Das erste Kapitel, verfasst von Camilo Pena (Okanagan Valley, Canada), ist interessant für Technologen. Der Autor, Master in Sustainable Development und promoviert in Industrial Studies, vergleicht anhand mehrerer Kriterien in Form einer Tabelle (Ökosystem-Management, Boden, Energie- und Wassermanagement, Zusätze, Pflanzenschutz oder Weinausbau, soziale Aspekte) konventionell erzeugte Weine mit Bio-Weinen und Naturweinen. Der konventionelle Weinausbau, in Deutschland rund 85 Prozent aller Weine, besitzt Freiheiten im Pflanzenschutz und in der Kellerwirtschaft, die den beiden anderen Bereichen nicht zur Verfügung stehen. Deren Risiken sind im Jahr 2024 wieder besonders deutlich geworden, Peronospara hat schlimme Schneisen geschlagen. Zwischen dem Bio- und Naturweinausbau sind die Unterschiede eher gering. Diskutiert wird über die zulässige Menge an SO2 und einzelne Kellerbehandlungsmittel. Sog. Naturweine besitzen in Deutschland einen Marktanteil von rund einem Prozent, sie werden häufig in Quevris hergestellt und als Orange Weine angeboten. In der Denkweise des Autors ist es umso nachhaltiger, je weniger Behandlungsmittel eingesetzt werden. Als Rezensent würde ich Nachhaltigkeit eher in Richtung Kreislaufwirtschaft verstehen. Was geschieht mit dem Trester, was mit der Hefe oder dem sonstigen Trub? Deponie oder Rückführung als Dünger bzw. Weiterverarbeitung zu anderen Wertstoffen.
Im zweiten Kapitel von Anna Mari Almeda (Rom) und David Inglis (Helsinki) wird ein spannender englischer Begriff verwendet: Artifying Wine. Mit dessen korrekter Übersetzung tun sich auch Lexika schwer. Gemeint ist der Prozess vom Nicht-Kunstwerk zum Kunstwerk, vielleicht ist der Begriff „Künstlerisierung“ zulässig. Diese Entwicklung soll die Winemaker betreffen und die Etiketten auf den Flaschen. Alles im Kontext der Gender-Diskussion, denn Wein (und auch Kunst) war in der Vergangenheit patriarchalisch ausgerichtet. Beide sind nach Ansicht des Rezensenten allerdings eindeutig auf dem Weg der Veränderung. Die Autoren sehen dagegen weiterhin Defizite.
In dem Artifying-Prozess sollen Künstler und Winemaker im Zusammenhang gesehen werden. Künstleretiketten gibt es ja nicht erst seit oder bei Mouton-Rothschild. Bei vielen Betrieben gehören sie zum grundlegenden Marketing, um sich abzuheben von der Masse und identitätsbildend zu wirken. Auch die Weinherstellung soll ein Kunstwerk sein. In der Tat ist es für die meisten Produzenten ein Handwerk, in Großbetrieben mit aufwendiger Technologie durchgeführt. Besonders Weinjournalisten und Weinkritiker verwenden gerne den Begriff des Künstlers im Zusammenhang mit dem Winemaker, der seinen Wein interpretiert wie ein Maler sein Gemälde und ihn so quasi adelt. Der Artikel ist von Autoren geschrieben, die kultursoziologisch unterwegs sind.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit Weinbau in China. Autoren sind Pierre Ly (USA) und Cynthia Howson (USA). Pierre Ly ist Professor für „International Political Economy (IPE)“ an der University of Puget Sound. Cynthia Howson ist Teaching Professor of Ethnic, Gender, and Labor Studies an der University of Washington. Berichtet wird über Erkenntnisse, die die Autoren zwischen 2013 und 2018 in China gewonnen haben. Sie sehen chinesische Weinproduzenten in einem harten Kampf gegen Vorurteile chinesischem Wein und China gegenüber, wegen widersprüchlicher Regulierungen der Bewässerung, geistigem Eigentum und nicht zuletzt sozialer Probleme um Klassen, Geschlechter, Ethnien und Sozialkapital. Vor allem das knappe Gut Wasser stellt viele Betriebe vor große Probleme (je Hektar Rebfläche sind 3.900 Tonnen Wasser nötig). Viele Herausforderungen sind vielfach mit Bastelei und Herumprobieren praktisch gelöst worden.
In den letzten Jahren hat die Reputation von chinesischem Wein deutlich zugenommen, auch wenn es keine Zusammenarbeit mit berühmten Weinmarken in der restlichen Welt gab. Drei der bekanntesten Betriebe werden von Frauen geführt, was in der Werbung stark ausgeschlachtet wird. Große ausländische Weinunternehmen haben sich wegen des im Prinzip gigantischen Marktes nach China orientiert. Neben dem Export von in der Regel teuren Weinen gab es auch mehrere Partnerschaften, die allerdings politisch eingeschränkt waren. Der Begriff Nachhaltigkeit taucht in dem Artikel allerdings unter, bei aufstrebenden Strukturen stehen andere Schwerpunkte im Vordergrund.
Dann kam Corona. Auch erfolgreiche Unternehmen, nicht zuletzt in Zusammenarbeit mit ausländischen Investoren und Fachleuten, haben durch die Pandemie schwer gelitten. Insgesamt ist die Situation des chinesischen Weinbaus seitdem noch volatiler und noch unvorhersehbarer. Angesichts extrem niedriger Temperaturen im Winter und all der Risiken wird chinesischer Wein im Gegensatz zu Solaranlagen oder Stahl kein Billigprodukt sein können, welches die europäischen Märkte überschwemmt.
Die Autoren sind durchgängig Wissenschaftler an Hochschulen und bringen einen eher theoretischen internationalen Blickwinkel mit, der etwas abseits des deutschen Weinverständnisses liegt. Er kann dadurch für diejenigen sehr spannend sein kann, die bereit sind, sich durch entsprechende sozio-kulturellen Fachbegriffe zu wühlen. Ein Naturwissenschaftler wie der Rezensent vermisst in dem Buch Graphiken, Zahlen und harte Fakten. Das Buch sucht eine andere Klientel als den praktizierenden Winemaker auch mit Geisenheimer oder Neustadter Hintergrund.
Jochen Hamatschek, Landau

