2022: Schick, Tobias: Weinbau in der Renaissance – von der Traube bis ins Glas

Dr. Tobias Schick: Weinbau in der Renaissance – von der Traube bis ins Glas, Verlag Books on Demand, 114 Seiten, ISBN: 978-3-7534-5479-5. 30 Euro

Schon vor tausenden von Jahren wurde in verschiedenen Ländern in Europa Wein erzeugt. Die Römer waren bei ihren Feldzügen vor 2.000 Jahren so nebenbei auch Förderer des Weinbaus. Mit der Zeit entwickelten sich unterschiedliche Methoden für den Ausbau. Ein offenbar besonders spannender Zeitraum war hier das 16. Jahrhundert.

Nachzulesen ist das in dem wohl ersten deutschsprachigen Weinbuch des Wieners Johann Rasch (1540–1612) aus den Jahren 1580 und 1582 „Von Baw, Pfleg und Brauch des Weins“ sowie anderen Werken, auf die es in Bibliotheken noch Zugriff gibt.

Der in Grünstadt in der Pfalz lebende Chemiker Dr. Tobias Schick (32) machte mit einem eigenen Buch eine Rekonstruktion der Weinkultur zu jener Zeit möglich. Dabei gelangen auch Rückschlüsse auf die Herstellungsverfahren und das damalige Kundenprofil.

Eines vorweg: Vieles hat sich auch über die Jahrhunderte auf den ersten Blick nicht geändert. Idealerweise wuchsen Weinreben in trockenen Gebieten an möglichst nach Osten ausgerichteten Hängen. Ein Gedeihen der Reben wurde unter den Bedingungen versprochen, dass das Erdreich mindestens 75 cm tief in den Boden reicht und im Weinberg kein Lorbeer oder Eppich (veraltet für Efeu, Petersilie, Sellerie und Liebstöckel) wächst. Die Nährstoffversorgung oder auch Düngung übernahmen Urin oder Mist, welcher auf die Erde gegeben wurde und auch durch seine Eigenwärme die Wurzeln in kalten Nächten schützte.

Im ausgehenden Sommer wurden kurz vor der Weinlese die über dem Schoß wachsenden Blätter der Rebstöcke entfernt, um den Trauben die Feuchtigkeit zu entziehen und vermutlich süßere Weine zu erhalten – so zumindest die Erklärung der damaligen Autoren der „Oenographia“ (1604). Auch heute noch ist an manchen Hängen im Spätsommer das Entfernen der Blätter zu beobachten.

Im Keller: Wirf’s ins Fass, den Kellerwein!

Während der Weinlese wurde der Traubensaft durch das Zertreten der Trauben von „Weintretern“ in einem Bottich gewonnen. Die damaligen Schriften lassen vermuten, dass nicht der „Weinmeister“ selbst diese Arbeit verrichtete, sondern sie niedrigeren Dienstgraden überließ.

Die Gärung des Saftes wurde in zuvor mit Salzwasser ausgebrühten Fässern über eine Wildgärung vollzogen (heute sagt man dazu Spontangärung). Falls die Gärung ausblieb, lautete ein Rat: „Nimm das Erdreich, da der Wein gewachsen und wirf’s in das Fass, so gärt er auch.“ Die Fässer wurden idealerweise im dunklen und kühlen Weinkeller gelagert. Zum optimalen Schutz des Weines mussten die Fässer mit Blechen abgedeckt sein, damit der Donner dem Wein keinen Schaden anrichten konnte. Und nach Möglichkeit durfte es keine Fensteröffnung nach Norden geben. Der Nordwind galt als sehr schädlich für den Wein und die Sorge bestand, dass Weine durch den Wind schlecht wurden. Eine logische Begründung für diese Furcht ist in den alten Schriften nicht zu finden. Manche Weinherren aber waren so kühn und lagerten den Wein absichtlich unter freiem Himmel, wo er den Elementen der Natur ausgesetzt war. Das Produkt wurde dann als „Wetterwein“ bezeichnet.

Ob Wetter- oder Kellerwein, das Produkt wurde, ähnlich wie heute, anhand von Farbe, Geschmack und Geruch im Rahmen einer Weinprobe bewertet. Um sich vor Betrug zu schützen, sollten die „Weinkoster“ den Wein morgens kosten, nachdem „sie den Mund gewaschen und drei oder vier Brocken Brot in Wasser getunkt und gegessen haben“. Des Betruges wurden Weinhändler/-herren bezichtigt, die Süßholz, gesalzenen Käse oder sonstige, deftige Speisen mit der Absicht anboten, den Geschmack des Weines durch das Essen zu verändern. Der Grund zu dieser Vorsicht war durchaus berechtigt, da auch Weißweine durch Färbung mit Heidelbeeren, Sauerkirschen oder Kornblumen zu Rotweinen wurden.

Geschmack: Tricksen mit den Würzaromen

Auch geschmacklich wurde in die Trickkiste gegriffen und Weine mit Hopfen oder Wacholderbeeren versetzt, um die Haltbarkeit zu erhöhen. Denn wenn „durch den Hopfen das Wasser in dem Bier vor Gebrechen bewahrt wird, warum sollte dann nicht viel mehr der Wein fast kräftiger […] behalten werden?“ Andererseits wurde der Weingeschmack an die Anforderungen jener Zeit durch Honig, Pfeffer, Nelken und Zimt angepasst. Süße, gewürzte Weine waren eben zu der Zeit en vogue.

Hat der Wein den Geschmack des Kunden getroffen, gönnte man sich das eine oder andere Krautstrunkglas mehr und musste mit den morgendlichen Konsequenzen rechnen. Die Gegner solcher Gelage schimpften, in den Zechern sei „weniger Vernunft als in einem Esel, welcher, so er getrunken hat, nicht mehr als es ihn gelüstet hat, wieder nach Hause geht.“ Es scheint, solche Zecher sind nicht ausgestorben …

Dr. Dolores Müller

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