Buchbesprechungen
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Weinbruderschaft Mosel-Saar-Ruwer: Mosel-Anruf – Schriften der Weinbruderschaft Mosel-Saar-Ruwer e. V.
Forchheim: Verlag + Druck Linus Wittich KG 2018.
226 Seiten
ISSN 1868-9647. EUR 12,-
Der hier vorliegende Mosel-Anruf lässt eine Dreiteilung mit völlig unterschiedlichen Schwerpunkten erkennen. Der erste Teil vermittelt einen umfassenden Tätigkeitsbericht der Weinbruderschaft Mosel-Saar-Ruwer für das Jahr 2018. Dem folgen im zweiten Teil weinfachliche Beiträge, die für den einen oder anderen von Interesse sind.
Einer ausführlichen Jahrgangsbeschreibung des Weinjahrgangs 2018 folgen Versuchsergebnisse zum Einfluss verschiedener Rebunterlagen auf Ertragsleistungen bei Riesling, Müller-Thurgau und Spätburgunder aus den Jahren 1973 bis 2016. Sehr ausführlich hat ein Autorenteam das Leben und Wirken des ungarischen Rebzüchters Jozsef Czismazia anlässlich seines Geburtstages vor 100 Jahren dargestellt (auch in „Persönlichkeiten der Weinkultur“ aufgeführt), der mehrere auch in Deutschland angebaute Rebsorten wie Perle von Zala (weiß) und Nero (rot) gezüchtet hat. Es folgen Abhandlungen zum Weinbau im Saarland, zum Bau von Kleinterrassen (Querterrassierung) im Rahmen der Weinbergsflurbereinigung Wolf und eine Zusammenstellung von Regeln zur Herstellung von koscherem Wein. Ein Beitrag von Dr. Ursula Schöffling über „Wein und Alkohol in der Pharmazie“ bildet die Überleitung zum historischen Teil. Hierin beschreibt die Autorin unter anderem die in der Römerzeit und im Mittelalter gebräuchlichen Rezepturen der verschiedenen Weine für die unterschiedlichsten Krankheiten sowie die Medizinalweine in Arzneibüchern.
In einer Abhandlung von Dr. Jürgen Arens greift er das Thema „Nikolaus Krebs – Kryffts – aus Kues – Cusanus’ Lebensumfeld im 14. und 15. Jahrhundert an der Mosel“ auf. Mit einer ausführlichen Darstellung des historischen Hintergrunds, des familiären Umfelds sowie der aktuellen Entwicklungen der Reichs- und Kirchengeschichte tritt er den Beweis an, dass Nikolaus von Kues kein „armer Fischersohn“ war, sondern dass er in seinem Elternhaus den sozialen Hintergrund und die vielfältigen Verbindungen vorfand, um in der übernationalen und kirchlich hohen Welt agieren zu können.
Ebenso bemerkenswert ist auch der Beitrag von Prof. Werling über „Blut der Erde – die Bedeutung des Weines bei Hildegard von Bingen“. Eine solch umfangreiche und komprimierte Darstellung über den Wein in den Schriften der hl. Hildegard hat der Rezensent bisher noch nicht gefunden. In Hildegards praktischer Heilkunde kommt der Verwendung von Wein eine große Bedeutung zu, und dies nicht zuletzt wegen seiner überragenden religiös-sakramentalen Symbolkraft.
Eine kurze Darstellung von Udo Lange über „Das Notgeld der Stadt Trier mit Trauben- beziehungsweise Weindarstellungen 1918 – 1923“ schließt den historischen Teil ab. Von 49 Notgeldscheinen der Stadt Trier zeigen sieben Wein-Darstellungen.
Aus: Mitteilung der GGW 1/2020
Wolfgang Sartor:
Die Geschichte des Moselweinhandels von 1700 bis 1918
Trier: Kliomedia Verlag 2018.
ISBN 978-3-89890-149-9. EUR 56,- (Das Buch ist nur über den Autor zu beziehen:
Schon früh kam der Verfasser mit der Region in Berührung und bewunderte die Jugendstilvillen in Traben-Trarbach. Damit wuchs sein Interesse am Thema.
Im ersten Kapitel gibt er einen Überblick über die allgemeine Situation des Weinhandels seit Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Französischen Revolution mit der Erweiterung bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts.
Kapitel 2 schildert die regionalen Verhältnisse in der für den Moselwein besonders wichtigen Zeit zwischen 1850 und dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Verbesserte Anbaumethoden durch wissenschaftliche Forschung, der Einfluss des preußischen Staates und die Ausdehnung des Absatzmarktes durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes schufen die Voraussetzungen für die Entstehung großer Handelskellereien, die ihrerseits eine außergewöhnlich dimensionierte Kellerwirtschaft entwickelten und alle Möglichkeiten moderner Warendistribution ausschöpften.
Die eigentliche, innovative Informationssammlung des Buches wird in Kapitel 3 dargestellt. Systematisch wird den Familiengeschichten der Weinhandelshäuser nachgespürt, auch solchen, die schon lange nicht mehr existieren. Entstanden ist so ein einzigartiger Überblick historischer Weinhandelshäuser zwischen Koblenz und Trier. Die Handelsfamilien aus Traben-Trarbach mit ihren prunkvollen Villenlandschaften und ausgedehnten Kelleranlagen stehen dabei zu Recht im Mittelpunkt, denn keine andere Stadt im Deutschen Reich konnte ein auch annähernd großes Handelsvolumen aufweisen.
Der Einfluss der Weinhandelsfamilien auf Kultur, Verkehrswesen, Lokalpolitik und Wohltätigkeitsorganisationen wird im folgenden Kapitel aufgegriffen. Die geschilderte umfangreiche Reisetätigkeit der Handelsfamilien auf der Suche nach neuen Märkten führte zu ganz neuen Beziehungen zwischen dem für damalige Verhältnisse abgelegenen Moseltal und der Welt.
Ergänzt wird das Buch durch umfangreiches Bildmaterial, das zum Teil aus den Privatarchiven der Nachfahren besagter Handelsfamilien stammt und die bisher unveröffentlicht waren.
In einem kurzen abschließenden Beitrag beschreibt der Rezensent die Weiterentwicklung des Weinhandels während der letzten 60 Jahre bis zur Gegenwart.
Verfasser: Michael Willkomm
Aus: Mitteilung der GGW 1/2020
Gunthild Peters:
Zwei Gulden vom Fuder: Mathematik der Fassmessung und praktisches Visierwissen im 15. Jahrhundert.
Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2018.
344 Seiten mit zahlreichen s/w Fotos.
ISBN 978-3-515-12052-4. EUR 61,-
In einem Lobgedicht aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert lobt der Nürnberger Meistersänger Kunz Haß die meisterliche Fassmessung auf dem Weinmarkt von Nürnberg. Damit dürfte aber das Visierwissen und die Abfassung der Visiertexte schon mehr als 100 Jahre älter sein. Einen der wohl frühesten schriftlichen Nachweise für einen Text über Visierruten hat die Autorin in einem Bibliothekskatalog des Klosters St. Emmeran (Regensburg) aus dem Jahr 1347 gefunden. In Kapitel 2 ihres Buches, in dem sie den Forschungsstand zu Texten, Spezialisten und Messinstrumenten ausführlich beschreibt, stellt sie fest, dass mit Beginn des 15. Jahrhunderts eine intensive Phase der Textproduktion einsetzt. In den beiden nächsten Kapiteln stellt sie eine Sammlung von Visiertexten sowie die Herstellung der Visierruten vor.
Eine umfangreiche Darstellung der mathematischen Grundlagen zur Messung des Fassinhalts und der Herstellung der Visierruten folgt in Kapitel 5. Hierbei stellt Peters fest, dass die Visiertextsammlungen stark von euklidischer Geometrie geprägt sind. Den Skalen der Visierstäbe liegt die Idee von der Näherung eines Fasses durch einen Zylinder und Kegelstumpf zugrunde.
Erst im 6. Kapitel beschreibt die Autorin die Bedeutung der Visierer für die Stadt Nürnberg. Im mittelalterlichen Weinhandel war die Frage der Messung des Fassinhalts von eminenter Bedeutung und dies nicht nur für Käufer und Verkäufer, sondern vor allem auch für die Städte. Sie erhoben die Weinsteuer nach dem Fassinhalt, damals Weinungeld genannt, die eine der wichtigsten Einnahmequellen darstellte und für viele Städte daher unverzichtbar war. Fässer waren im späten Mittelalter eines der häufigsten gebrauchten Gefäße für Waren aller Art; von Wein und Bier über Getreide transportierten Händler darin ihre Produkte über weite Strecken. Da die handgefertigten Fässer nicht normiert waren, erfanden darauf spezialisierte Mathematiker einfach zu bedienende Messstäbe, die Visierruten, mit denen sich der Fassinhalt problemlos, schnell und ziemlich genau bestimmen ließ. Peters rekonstruiert die Herstellungsanweisungen und stellt am Beispiel Nürnbergs die Spezialisten für Fassmessung, die Visierer, vor.
Die beruflichen Hintergründe der Visierer lagen meist nicht im Weinhandel. Die Stadt Nürnberg beschäftigte ganz unterschiedliche Handwerker als Visierer. Die Anwärter mussten sich nur die nötigen Kenntnisse zum Beispiel bei einem aktiven Visierer oder einem Rechenmeister erwerben. Nach einer Visierprobe folgte seit dem 15. Jahrhundert die Ernennung zum Visierer.
In Kapitel 7 rekonstruiert die Autorin die den in Kapitel 3 wiedergegebenen Handschriften zugrunde liegenden Textzeugen aus Paris und Perugia. Diese lassen Rückschlüsse zu, welche Personenkreise mit der Form des Visierwesens zu tun hatten und welchen Weg die Handschriften genommen haben.
In einem aus drei Kapiteln bestehenden umfangreichen Anhang erläutert sie in Kapitel 1 die Detailkonstruktionen der Visierruten aus der im Buchtext dargestellten Visiertextsammlung. Für die verschiedenen Visierruten beschreibt sie deren zugrunde liegende Messmethoden und Konzepte.
Kapitel 2 ist dem Verzeichnis der Visierer in Nürnberg vorbehalten und Kapitel 3 enthält eine sehr umfangreiche Wiedergabe der lateinischen Texte der Visiersammlung, die auf den beiden Handschriften Perugia und Paris beruhen.
Dieses Buch gibt interessante und wertvolle Einblicke in die Materie des Visierens und ist daher empfehlenswert.
Verfasser: Dr. Gerhard Stumm, Bad Kreuznach
Aus: Mitteilung der GGW 1/2019
Dr. Christof Krieger:
Wein ist Volksgetränk. Weinpropaganda im Dritten Reich.
Rhein-Mosel-Verlag, Zell (Mosel) 2018. 512 Seiten.
ISBN 978-3-89801-335-0. EUR 32,90
Der Historiker aus Traben-Trarbach und Leiter des dortigen Mittelmosel- Museums Dr. Christof Krieger hat sich im Rahmen seiner Magister- und anschließenden Doktorarbeit mehr als zehn Jahre mit dem Thema „Wein-Propaganda im Dritten Reich am Beispiel des Anbaugebietes Mosel-Saar-Ruwer“ befasst.
Der Verfasser hat die Weinpropaganda der Nationalsozialisten im Dritten Reich am Beispiel des Anbaugebietes Mosel, Saar und Ruwer aufgearbeitet und dabei viele Wissenslücken geschlossen. Es beginnt mit den krisengeschüttelten Jahren des Weinbaus an der Mosel – mit dem Sturm des Finanzamtes Bernkastel durch die Winzer 1926 – und der staatlichen Weinbaupolitik, Weinpropaganda, Weinwerbung in der Weimarer Republik in den 1920er-Jahren und ihrem jähen Ende. Das nutzten die Nationalsozialisten nach 1933 und versuchten mit ihrer „Blut und Boden“-Ideologie und Parolen wie „Wein ist Volksgetränk“, „Trinkt deutschen Wein“ oder „Deutscher Wein aus deutschen Gauen“ dem einheimischen Wein neue Abnehmerkreise zu erschließen. Durch die Rekordweinernte 1934 wurde es notwendig, weitere Schritte zu unternehmen und nicht nur die kurz vorher erst festgesetzten Herbstmindestpreise auch durchzusetzen. Zu einer guten und erfolgreichen Aktion entwickelte sich dabei laut Christof Krieger die „Weinpatenschaft“, die beim ersten „Deutschen Wein-Tag“ 1934 in Düsseldorf mit dem Saar-Winzerdorf Wiltingen initiiert und zur reichsweiten Propaganda-Veranstaltung ausgeweitet wurde. In den Jahren 1935 bis 1937 übernahmen so mehr als 1000 Städte vom Ruhrgebiet bis nach Ostpreußen „Weinpatenschaften“ für einzelne Winzerorte vornehmlich von der Mosel. Sie wurden im Rahmen des „Festes der deutschen Traube und des Weines“ als volkstümliches Weinfest mit Umzügen usw. vom Parteiapparat der NSDAP (und nicht von den Winzern oder ihren Organisationen) vorbereitet und durchgeführt und galten schnell allgemein als „Saufen für den Führer“! Zusammen mit den umfassenden Propagandamaßnahmen des Reichsnährstandes und der Deutschen Arbeitsfront mit ihrem Feierabendwerk „Kraft durch Freude“ (das z. B. auch Reisen in die Weinorte durchführte) erwies sich dies laut Krieger als die umfassendste Weinabsatzaktion, die es jemals in Deutschland gegeben hat und er erklärt, warum die NS-Propaganda auf nichts anderem als der Verkettung ungewöhnlicher Zufälle beruhte, an deren Anfang schlichtweg die Notwendigkeit der Unterbringung zweier Rekordweinernten 1934 und 1935 stand.
Das Buch ist nicht einfach zu lesen, aber es enthält so viele bislang nicht oder kaum bekannte Einblicke in die NS-Diktatur und ihre Weinpropaganda, die nicht nur ihre Spuren an der Mosel hinterlassen haben, denn nach Krieger stammt auch der Begriff „Deutsche Weinstraße“ in der Pfalz oder der Titel „Deutsche Weinkönigin“ aus dieser Zeit. Die 512 Seiten sind eingeteilt in 8 Kapitel:
1 Einleitung,
2 Vorgeschichte: Die staatliche Weinwerbung in der Weimarer Republik,
3 Die Anfänge der NS-Weinpropaganda (1933–1934),
4 „Deutscher Wein auf jedem Tisch“ (1935–1936),
5 Von der Absatzkrise zur Weinknappheit (1937–1939),
6 Ergebnisse und Zusammenfassung: Intentionen, Implikationen und Dimensionen der nationalsozialistischen Weinpropaganda,
7 Epilog und Forschungsausblick,
8 Anhang – sowie verschiedene Bilder und Plakate.
Im Quellen- und Literaturverzeichnis sind auf 32 Seiten alle möglichen Hinweise und Namen zu finden, unter anderem auch die Zuteilung der Winzerorte und ihre Patenstädte 1935–1937. Noch besonders zu erwähnen sind die über 550 Literaturhinweise als Ergänzung des Textes in den Kapiteln 1 bis 5 auf den Seiten 10 bis 414, sowie 225 für die Kapitel 6 und 7 auf den Seiten 460 bis 465 dieses insgesamt sehr interessanten Buches.
Verfasser: Karl Kirch, Mertesdorf
Aus: Mitteilung der GGW 2/2018