Tanja Lidy:
In vino sanitas: Apotheker des 19. Jahrhunderts als Wegbereiter der modernen Önologie.

Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Pharmazie, Dissertation, 2014. 329 Seiten.

„In vino sanitas – Apotheker des 19. Jahrhunderts als Wegbereiter der modernen Önologie“, mit diesem Titel verfasste Tanja Lidy ihre Dissertation von 2014 an der Universität Marburg. Im Einzelnen beschreibt sie als Apothekerin zunächst die „arzneiliche Bedeutung des Weins im Untersuchungszeitraum“ mit seinen zeitlich angenommenen und erwiesenen Wirkungen, Nebenwirkungen und als Antidot. Schwergewicht ihrer Darstellung ist die umfassende Beschreibung von drei Apothekern, die sich dem Weinfach zuwandten, nämlich Benedikt Kölges (1774–1850), der aus Mönchengladbach stammte, aber länger in Rüdesheim am Rhein lebte und wirkte, von Johann Philipp Bronner (1792–1864) aus Neckargemünd bei Heidelberg, der in eine namhafte Apotheke in Wiesloch einheiratete und fast alle europäischen Weingegenden bereist und beschrieben hat, sowie von Julius Neßler (1827–1905), der in Kehl zur Welt kam, aber über Umwege letztlich in Karlsruhe seine Lebensaufgabe mit Wein und Weinbau fand, wobei er eine Vielzahl von weinanalytischen Methoden erarbeitete und einführte. Allein die biographischen Daten der drei Apotheker-Persönlichkeiten zu lesen, die die Autorin recherchiert hat, vermittelt so viel Information zum Zeitgeschehen, über die Art und Weise, wie jeder aus anderen Gesichtspunkten zum Wein gekommen war, und welche Kenntnisse er aus seinem Apotheker-Wissen in seine selbstgestellte Aufgabe zur Verbesserung des Weinbaus und Weines gezogen hat.
Kölges spürte als aktiver Apotheker im Rheingau das Elend der Weinbauern so sehr, dass er neben seinen weinbaulichen Schriften, zum Beispiel sein „önologisches Lexicon“, auch eine „Gesundheits-Assekuranz zum Nutzen der Armen und mindervermögenden Staende“ entwarf und durchzusetzen versuchte, nachdem er die Bevölkerung in acht „Vermögensklassen“ eingeteilt hatte.
Wer Johann Philipp Bronner hört, denkt zunächst an seine regionalen Beschreibungen des Weinbaus Süddeutschlands, aber auch von Frankreich und der französischen Schweiz. Er verbesserte jedoch in zahlreichen Publikationen den Weinbau hinsichtlich des Sortenspektrums, des Rebschnitts und der Rebenerziehung sowie der Düngung, ohne die Modernisierung der Weinbereitung selbst zu vergessen.
Auch der jüngste unter den drei zur Önologie umgesattelten Apotheker hat sich schon mit seiner Doktorarbeit an der Universität Freiburg einen Namen mit seinem „Neßlers Reagens“ zum Ammoniak-Nachweis erworben. Als Begründer der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Karlsruhe hat er nicht nur den badischen Wein analytisch erforscht und zahlreiche Verbesserungen der Weinbereitung erarbeitet und aufgezeigt, sondern auch manche Weinkrankheit aufgespürt und deren Verhinderung beschrieben.
Die Autorin hat von Bronner allein 25 und von Neßler 69 Veröffentlichungen zusammengetragen - eine einmalige Zusammenstellung ihrer Arbeit. In einem speziellen Kapitel zeigt die Autorin auf, dass im Vergleich zu Deutschland zu jener Zeit in Frankreich die Pharmazeuten eine noch umfassendere Aktivität zum Wein und Weinbau entwickelt hatten, worunter etliche auch hier bekannte Namen aufgezeigt werden, z.B. Jean-Antoine Chaptal (1756–1832) und der Militärapotheker Antoine-Augustin Parmentier (1737–1813), die Zuckerungspäpste oder Jules-Émile Planchon (1823–1888), der sich umfassend mit der Reblaus in Frankreich befasst hat.
Abschließend berichtet die Apothekerin Tanja Lidy tabellarisch über die „Medizinalweine in Französischen und Deutschen Arzneibüchern“ und zeigt den „Wein in der Therapie des 19. bis 20. Jahrhundert“ auf. Insgesamt ein hervorragendes und lesenswertes Werk, wobei selbst die Fußnoten noch voller Informationen stecken.

Verfasser: Dr. Günter Schruft, Freiburg i.Br.
Aus: Mitteilung der GGW 1/2015

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