2021: Werth, Kurt: Geschichte der Hagelabwehr

Kurt Werth: Geschichte der Hagelabwehr. Raketen, Kanonen, Wetterläuten, Wolkenimpfung, Versicherung und Netze zum Schutz gegen den Hagel. Retina/Edition Raetia, Bozen 2021; 248 S., zahlreiche, überwiegend farbige Abbildungen. ISBN 978-88-99834-19-7; 38,00 Euro

Es mutete an wie ein Science-Fiction-Film oder eine Kriegsszene, als am 17. August 1967 binnen weniger Minuten zwischen Lana und Kaltern 2.272 Raketen zur Hagelabwehr abgefeuert wurden. Zwischen 1950 und 1980 wurden in Südtirol 123.000 Raketen und 230 Tonnen Sprengstoff in den Himmel geschossen. Mittlerweile sind die Raketen nur der älteren Generation noch vage im Gedächtnis. Dies war dem Autor Anlass, an eine der skurrilsten Praktiken, die in den Südtiroler Obst- und Weinbau je Eingang gefunden haben, zu erinnern, zumal es bisher keine umfassende Abhandlung zu dem Thema gab. Ziel seiner Veröffentlichung ist es nicht, Abwehrmethoden auf den Prüfstand zu stellen, sondern ein Stück Geschichte im Obst- und Weinbau Südtirols lebendig zu erhalten. Zumal Kurt Werth, viele Jahre in leitender Position beim Südtiroler Beratungsring für Obst- Weinbau, die Hagelabwehr mit Raketen vom ersten bis zum letzten Tag persönlich miterlebt hat. Werths Betrachtung beschränkt sich allerdings nicht auf diese Periode, sondern greift räumlich und zeitlich weit darüber hinaus. Hagelschläge können binnen weniger Minuten eine ganze Ernte zerstören. Dem sahen die Menschen zu keiner Zeit tatenlos zu. Die angewandten Mittel sind indes oft Zeugnisse der Ohnmacht. Werth präsentiert eine umfassende Geschichte der aktiven Hagelabwehr mittels Wetterläuten, Wetterschießen, Hagelkanonen, Raketen und Wolkenimpfung ebenso wie die Entstehung der passiven Methoden der Versicherung und der Hagelnetze. Im umfangreichen ersten Kapitel steht die Hagelabwehr mit Raketen in Südtirol im Mittelpunkt, ausgehend von der Vorgeschichte der Hagelraketen in Frankreich und Italien über die Pioniere in Südtirol, die Bildung von Pflichtgenossenschaften zur Hagelabwehr bis hin zu einem tragischen Unfall 1971, der das Ende der Hagelraketen einläutete. Einschübe mit Anekdoten und kuriosen Geschichten von Zeitzeugen und ehemaligen aktiven Hagelschützen lockern den Text auf. Es folgen kürzere Kapitel zum Wetterschießen, Wetterläuten und zu modernen Stoßwellen-Kanonen, wie sie bis heute in Frankreich oder den USA gebräuchlich sind. Anschaulich vermittelt Werth in einem weiteren Kapitel die physikalischen Grundlagen der Wolkendynamik und der Hagelbildung, bevor er auf die Hagelbekämpfung mit Silberjodid eingeht und dabei den Blick weit über die Landesgrenzen hinaus richtet, in Regionen wie Niederösterreich oder Baden-Württemberg, wo Hagelflieger eingesetzt werden, während Südtirol heute ausschließlich auf die Hagelversicherung und Hagelnetze setzt. Der passiven Hagelabwehr ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Kurt Werth schreibt kenntnisreich und fesselnd und hat für sein Buch nicht nur tausende von Quellen ausgewertet, die teils im Wortlaut angehängt sind, sondern liefert mit 170 farbigen Abbildungen faszinierende Einblicke in die Geschichte der Abwehr. Ein außerordentlich gelungenes Buch, das nicht nur Winzern zur Lektüre empfohlen sei!

Christine  Krämer

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