Jaeger, Hermann (1844 - 1895)

Hermann Jaeger, Winzer und Rebenzüchter 
* 23 März 1844 in Brugg, Schweiz als sechstes von sieben Kindern
† vermutlich Juli 1895
Vater: Karl Samuel Jaeger (1797-1879), Landwirt und Händler
Mutter: Marianne Jaeger, geb. Custer (1808-1879)
⚭  1872 mit Elise Wagenrieden aus St. Louis († 1873), eine Tochter
⚭  1874 mit Elise Grosse aus St. Louis, vier Kinder: Hermann (*1878), Lena (*1881), Emma (*1884) und Carl (*1892)

 

Hermann Jaeger ging in der Schweiz zur Schule bis er 16 Jahre alt war. Von 1860 bis 1863 absolvierte er eine Lehre in einem Textilwarenhaus; von 1863 bis 1864 arbeitete J. in einer Weinhandlung am Genfer See. Vermutlich lernte er da bereits Vieles über den Weinbau und den Weinausbau. 1864 emigrierte J. nach USA. Über verschiedene Stationen siedelte er schließlich 1865 in der Nähe von Neosho, in der Nähe von Newton County, Missouri. Seine ursprüngliche Farm war 40 acres (16 ha) groß; als sein Bruder 1866 ankam, kaufte er weitere 40 acres dazu. 1866 pflanzte J. seinen ersten Weinberg. J. hatte von einheimischen amerikanischen Sorten Veredlungsholz von der Ostküste mitgebracht, wie z.B. Concord oder Virginia (Cynthiana bzw. Norton), und veredelte sie auf örtlich vorkommende Wildformen.

Bereits die ersten Veredlungsversuche waren erfolgreich. Unglücklicherweise hatte J. vermutlich mit dem Pflanzgut den falschen Mehltau (Plasmopara vitcola) in das Gebiet eingeschleppt und der drohte seinen Weinberg zu zerstören. Er bekämpfte ihn mit einer Mischung aus Schwefel, Eisensulfat und Kupfersulfat. Letztendlich war er mit der Behandlung erfolgreich, nicht allein in der Bekämpfung der Krankheit, sondern auch in einer frühen chemischen Bekämpfungsmaßnahme von Pflanzenkrankheiten.

J.s Hauptziel während seines ganzen Lebens war die Entwicklung von widerstandsfähigen amerikanischen Rebsorten für den Weinbau in seinem Gebiet in Missouri. Die Arbeit trieb er unermüdlich vorwärts. Seine Arbeit bekam über seinen eigenen Wirkungskreis hinaus  internationale Bedeutung zwischen 1870 und 1880, als ein aus Amerika nach Europa verschlepptes Insekt, die Reblaus (Daktulosphaira vitifoliae Fitch) die Weinberge zuerst das französischen Midi, dann ganz Frankreich und schließlich Europa nach und nach zerstörte. Forschungsarbeiten von Jules Émile Planchon, Jules Lichtenstein und Charles Valentine Riley hatten gezeigt, dass das Insekt ursprünglich aus den USA stammte und an den dortigen Reben weit verbreitet vorkam, ohne Schaden an deren Wurzeln anzurichten. Sie schlossen daraus, dass viele amerikanische Wildarten tolerant oder sogar resistent gegen die Wurzel-Reblaus waren. Amerikanische Wildformen stellten damit eine wirksame biologische Bekämpfungsmöglichkeit des Schädlings dar. Daraufhin wurden in großem Umfang Stecklinge amerikanischer Wildformen nach Frankreich exportiert, neben J. auch von George Husmann aus Columbia und Isidor Bush aus St. Louis. J. wurde nicht müde, besonders widerstandsfähige Wildformen zu finden. Mindestens 31 davon sind in Sortimenten erhalten geblieben und viele davon wurden von der Rebenzüchtung in Europa als Kreuzungspartner weiterverwendet. Die meisten davon sind mit Jaeger und einer Nummer bezeichnet, wie Jaeger 22. J. stand in regem Austausch von Ideen und Pflanzenmaterial mit Rebenzüchtern in Frankreich und den USA, hier insbesondere mit Thomas Volney Munson (1843-1913) einem eifrigen Sammler von Wildformen aus Texas. So bezeichnete J. einen seiner erfolgreichsten Zuchtstämme ‚Jaeger 70‘, der in den Stammbäumen vieler mehltau-toleranter, moderner Rebsorten weiterlebt ‚Munson‘. Thomas V. Munson im Gegenzug nannte einen seiner wichtigen Zuchtstämme ‚Jaeger‘, bzw. ‚Hermann Jaeger‘. Sicherlich haben sich beide Pioniere der Rebenzüchtung damit gegenseitig ihre Hochachtung ausgedrückt. J. wurde oft als Einzelgänger angesehen, obwohl er rege Kontakte mit Kollegen in USA und Frankreich pflegte und Kooperation in jeder Form förderte, auch den Austausch von Zuchtmaterial.

Im Juli 1895 verließ J. seine Familie aus geschäftlichen Gründen und wurde danach nicht mehr gesehen. Auch eine polizeiliche Suche brachte keine Klärung, J. blieb verschwunden. Es gibt verschiedene Vermutungen über die Ursache seines Verschwindens; eine besagt, dass die im Gebiet zunehmende Zahl von Befürwortern der Prohibition für seine Weinproduktion das wirtschaftliche Aus bedeutet hätte und er keinen anderen wirtschaftlichen Ausweg sah, als den Freitod.

Für den Weinbau weltweit ist Hermann Jaeger ein wichtiger Pionier, der noch, ehe die Regeln der Pflanzenzüchtung durch Gregor Mendel publik geworden waren, die Möglichkeiten der Pflanzenzüchtung für den Weinbau erkannte und widerstandsfähiges Zuchtmaterial sammelte und züchtete. Er hat damit vielen Züchtern nach ihm wertvolles Zuchtmaterial hinterlassen, auf das diese aufbauen konnten.

 

Ehrungen:
1888 wurde J. von der französischen Regierung der Verdienstorden für Landwirtschaft (Ordre du Mérite agricole) verliehen.
 
Quellen:
Jaeger, Hermann (1844 – ?), in: Lawrence O. Christensen, William E. Foley, Gary Kremer und Kenneth H. Wim (Hrsg.): Dictionary of Missouri Biography. University of Missouri Press, Columbia 1999, S. 427f
 
Maul, E. et al. (2021): Vitis International Variety Catalogue - www.vivc.de
 
Campbell, C. (2006): The Botanist and the Vintner. - How wine was saved for the world. Algonquin Books of Chapel Hill. 
 
Autor:
Dr. Ernst Rühl, Geisenheim
 
Abbildungsnachweis:  
Wikimedia Commons
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9d/Herman_Jaeger.png
Ursprünglich abgedruckt in: Neosho, A City of Springs, by the Newton County Historical Society