Wir stellen vor: Carmen Schmechel

Dr. Carmen Schmechel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie der FU Berlin und beschäftigt sich mit der Frage, wie Menschen in früheren Jahrhunderten versuchten, Fermentationsprozesse zu verstehen. Ein Interview mit Dr. Rudolf Nickenig.Foto: Erika Borbély-Hansen

Rudolf Nickenig: Frau Schmechel, Sie sind vor wenigen Monaten Mitglied unserer Gesellschaft geworden. Wie wurden Sie auf uns aufmerksam?

Carmen Schmechel: Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit Themen, die mit der Geschichte der Weinmanufaktur in der Frühen Neuzeit verbunden sind und bin in diesem Zusammenhang auf die Gesellschaft für Weingeschichte aufmerksam geworden. Selbstverständlich habe ich dann die Mitgliedschaft beantragt. 

Rudolf Nickenig: Was hat Sie dazu bewogen?

Carmen Schmechel: Ich suche den Austausch insbesondere mit Forschenden aus den Naturwissenschaften, da sie bestimmte Aspekte der Weinproduktion erschließen können, die in frühneuzeitlichen oder auch mittelalterlichen Quellen angedeutet werden – ohne dass die Autoren damals geahnt hätten, welche mikrobiologischen Prozesse bspw. der Fermentation zugrunde liegen.   

Rudolf Nickenig: Wollen Sie sich als Liebhaberin eines moderaten Weingenusses „outen“? 

Carmen Schmechel: Die Praxis muss die Theorie auch begleiten! Natürlich schätze ich Wein, als Getränk zu besonderen Anlässen und als Teil einer gesellschaftlichen Kulturpraxis. Man trinkt ja selten alleine. 

Rudolf Nickenig: Mögen Sie vielleicht sogar bestimmte deutsche Weine? Wenn ja, wollen Sie uns verraten welche?

Carmen Schmechel: Ich bin eher für weiße Weine zu haben, da sie einen leichteren Fuß haben. Ganz besonders mag ich den Riesling und den Traminer. Aber auch österreichische Weißweine schätze ich, wie z. B. den Grünen Veltliner.  

Rudolf Nickenig: Wir sind natürlich neugierig, mehr über Sie zu erfahren! Welche Ausbildung haben Sie? Was haben Sie studiert?

Carmen Schmechel: Ich komme aus der modernen Philologie und spreche mehrere europäische Sprachen fließend, darunter auch Schwedisch und Polnisch. Promoviert habe ich im Bereich Philosophie- und Medizingeschichte an der New York University. 

Rudolf Nickenig: Zu welchem Beruf führte Ihr Studium?

Carmen Schmechel: Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut der Philosophie der FU Berlin, im Rahmen einer von mir selbst eingeworbenen „Eigenen Stelle“, gefördert durch die DFG. Das heißt, dass ich ein bisher wenig erforschtes Gebiet erschließen darf. Dort lese ich hauptsächlich Latein.

Rudolf Nickenig: Ihr aktueller Forschungsbereich ist?

Carmen Schmechel: Aktuell forsche ich im Bereich Geschichte der Naturwissenschaften, insbesondere der Medizin- und Chemiegeschichte. Zurzeit untersuche ich, wie man in früheren Jahrhunderten versucht hat, Fermentationsprozesse von der Beobachtung her zu verstehen. 

Rudolf Nickenig: Wir sind ja schon fast in Übung, um von mir begonnene Sätze zu vervollständigen. Machen wir es nun konsequent! Ich beschäftige mich mit der Geschichte der Fermentation, um ….

Carmen Schmechel: … um besser zu verstehen, wie naturwissenschaftliches Denken entsteht und sich entwickelt. Man muss dabei im Sinn behalten, dass es vor dem 19. Jahrhundert noch kein fundiertes mikrobiologisches Wissen gab. Dennoch arbeitete man mit verschiedenen Hypothesen, die aus der Praxis abgeleitet wurden und sich als hilfreich erwiesen, so wie z. B. beim Stellen der Weinfässer im Keller in gewissem Abstand zueinander, um eine potenzielle Kontamination zu vermeiden. 

Rudolf Nickenig: Die Fermentation und die Alchemie im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit finde ich so spannend, weil …

Carmen Schmechel: … weil man sich der Gärung auch als Modell für das Verstehen von vielen anderen Naturprozessen bediente. So zum Beispiel war die Ansicht gängig, dass Fermentationen allgegenwärtig im menschlichen Körper seien. Auch im Inneren der Erde vermuteten die Alchemisten Gärungen, die zur Reifung der Metalle in Richtung Gold führen würden. Diese Gärungen meinten sie, in ihren Laboren beschleunigt nachahmen zu können.

Rudolf Nickenig: Wenn ich bei meinen Forschungen an René Descartes denke, dann ….

Carmen Schmechel: … dann muss ich mich daran erinnern, wie Descartes die Weinfermentation als Modell genutzt hat, um zu erklären, welche Kraft das Herz im Körper des Menschen antreibt. Er dachte, es sei „das lichtlose Feuer“ einer langsamen Gärung des Blutes.  

Rudolf Nickenig: Die Fermentation in der chemischen Revolution im 18. und 19. Jahrhundert habe ich im Blick, weil ….

Carmen Schmechel: … weil da­mals die Fermentation eine entscheidende Rolle in der Bildung der modernen Chemie spielte, zum Beispiel in Theorien der Verbrennung, die letztendlich zur Hypothese des Sauerstoffes führten, oder in Pasteurs Entdeckung des Enantiomerismus anhand der Struktur der Weinsäure. 

Rudolf Nickenig: Sie haben bereits Erfahrungen mit historischen Vereinen der Naturwissenschaft, denn Sie sind Mitglied des Vorstandes der Fachgruppe „Geschichte der Chemie“ der Gesellschaft Deutscher Chemiker. Vor diesem Hintergrund darf ich den letzten Satz beginnen: „In besonders angenehmer Erinnerung ist mir meine Teilnahme an der letzten Sitzung des Wissenschaftlichen Beirates der Gesellschaft für Geschichte des Weines, denn …  

Carmen Schmechel: … ich fand den interdisziplinären Ansatz der Gesellschaft sehr attraktiv. Wein und Weinbau spielten, historisch gesehen, eine gewichtige Rolle in vielen Dimensionen unserer Kultur und Gesellschaft – und diese versucht die GGW zu erkunden und zu bewahren. Auch, dass Mitglieder unterschiedlicher Altersgruppen dazu beitragen, finde ich sehr wertvoll aus der Sicht des Erfahrungsschatzes und des Austausches, der auf einer solchen Plattform ermöglicht wird. 

Rudolf Nickenig: Das höre ich gerne! Ich wünsche Ihnen viele positive Erfahrungen und beruflichen Gewinn im Netzwerk unserer Gesellschaft!

Carmen Schmechel: Vielen Dank. Ich freue mich sehr, dabei zu sein und mitmachen zu dürfen. 

 

Bildnachweise: 
Portrait Carmen Schmechel: Erika Borbély-Hansen
Christus in der Kelter: Österreichische Nationalbibliothek, Musiksammlung, Mus. Hs. 15501, fol 86v.
Weinleseszene: Tacuinum sanitatis, Ibn Butlân, Biblioteca Casanatense, Ms. 4182, ca. 1390/1400.
Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.